Juli 2004

Es ist lange her, seit ich am PC saß, um für die Homepage etwas zu schreiben und es fällt mir auch jetzt noch sehr schwer.

 

Werde ich gefragt, wie es mir jetzt geht, ist das nicht zu beantworten. Eigentlich gut und doch wieder entsetzlich. Severin fehlt unendlich und ist doch oft ganz nah. Es ist schwierig zu beschreiben.

 

Seit Mai gehe ich wieder arbeiten, halbtags, mit ganz lieben Kolleginnen, die mich warm willkommen haben und sich wirklich herzlich um mich kümmern. Es tut mir gut, ein paar Stunden am Tag Konzentration für ein neues Aufgabengebiet aufbringen zu müssen. Es lenkt ab und befriedigt zugleich. Trotzdem ist es anstrengend; die ersten Tage waren die Fahrten vom Büro nach Hause grausam; in ein leeres Haus kommen und Severin ist immer noch nicht da und kommt auch nicht wieder, machte mich fast verrückt. Das hat sich zwischenzeitlich etwas gelegt und die emotionalen Ausbrüche kommen seltener, aber dafür um so heftiger und fast immer, wenn ich allein bin. Doch die Tränen reinigen die Seele, habe ich oft das Gefühl, ein großer Druck wird für eine Weile genommen und läßt die nächste Zeit einfacher erscheinen.

 

Sinah hat eine unglaubliche Art, mit dem Tod ihres Bruders umzugehen. Für sie ist er oft ganz nah, manchmal beim Zähneputzen in ihrer Hand, manchmal schwebt er neben ihr. Sie redet viel von ihm "Weißt Du noch Mama, als Severin ....". Hier bin ich wieder ganz gefordert, dass dieser immense Verlust für sie nicht zu einem Trauma für ihr Leben wird - ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

 

Freunde haben es zur Zeit schwer mit mir. Glaubt mir, ich weiß das. Die Zeit wird zeigen, ob unsere Wege weiterhin zusammen laufen, oder ob es einfach an der Zeit ist, sich zu trennen. Ich habe mich verändert, bin nicht mehr der Mensch, der ich vor 20 Monaten war und will es auch nicht mehr sein. Welchen Sinn hätte Severins Leben, Krankheit und Sterben gehabt, würde ich so tun, als sei alles beim alten?

 

Ich will und ich werde wieder lernen zu leben, die Tage zu genießen mit Severin in meinem Herzen, Sinah an der Hand und Horst an meiner Seite. Doch das braucht viel Zeit und noch mehr Kraft. Danke jedem, der mich weiterhin dabei unterstützt!!!

 

 

Dezember 2004

 

Diese besondere Tage im Jahr. Einen haben wir gemeinsam mit Freunden geschafft. Severins 9. Geburtstag. Wir waren in der Messe morgens und ließen im Anschluß 9 Ballons mit unseren Wünschen zu Severin aufsteigen. Anschließend waren wir den ganzen Tag umgeben von guten Freunden, die uns halfen, diesen Tag zu überstehen. Ich hatte es mir vorher gewünscht, nicht allein zu sein und das war auch die richtige Entscheidung.

Allerdings war der Tag danach dann sehr viel schwieriger. Es hat mich immens viel psychische Anstrengung gekostet, Severins und Sinahs Geburtstag zwei Tage vorher (der übrigens an einem anderen Ort als üblich, aber mit vielen Kindern und super Unterstützung durch einen guten Freund sehr schön für all war) durchzustehen.

Jetzt steht uns das Weihnachtsfest bevor, das 1. nach neuer Zeitrechnung, das 1. ohne Severin. Wir haben beschlossen, entgegen den vergangenen Jahren auch hier den Platz zu ändern und werden vorher in Urlaub fahren - allerdings in heimische Gefilde - nach Schröcken. Ich denke, wir werden die Tage schaffen und hinterher erleichtert sein, dass sie vorbei sind. Denn wirklich freuen kann ich mich nicht darauf. Doch Sinah zu liebe, für Severin und für uns, werden wir versuchen, den Geist der Weihnacht auch zu uns zu lassen. Und ich bin mir sicher, dass auf der anderen Seite ein kleiner Mann auf seine neue Art dabei sein wird und uns nicht allein läßt.

Hier ein Gedicht zur Weihnacht (leider in Englisch, sorry); es wurde von einem 14 jährigen Junge geschrieben, der ebenfalls an einem Hirntumor erkrankt war. Er gab es seiner Mama, bevor er am 14. Dezember 1997 starb. Er hießt Ben.

 

I see the countless Christmas trees around the world below
With tiny lights, like Heaven's stars, reflecting on the snow.
The sight is so spectacular, please wipe away the tear
For I am spending Christmas with Jesus Christ this year.

I hear the many Christmas songs that people hold so dear
But the sounds of music can't compare with the Christmas choir up here.

I have no words to tell you, the joy their voices bring,
For it is beyond description, to hear the angels sing.
I know how much you miss me, I see the pain inside your heart
But I am not so far away. We really aren't apart.

So be happy for me, dear ones, You know I hold you dear.
And be glad I'm spending Christmas with Jesus Christ this year.

I sent you each a special gift, from my heavenly home above.
I sent you each a memory of my undying love.

After all, love is a gift more precious than pure gold.
It was always most important in the stories Jesus told.
Please love and keep each other as my Father said to do.
For I can't count the blessing or love he has for each of you.

So have a Merry Christmas and wipe away that tear
Remember, I am spending Christmas with Jesus Christ this year.

 

30. März 2006

 

Unfassbar; 2 Jahre Leben ohne Severin; Wir werden uns wiedersehen.

 

So lautet der Text der Anzeige anlässlich Severins zweitem Jahrgedächtnis. Und es ist tatsächlich unfassbar; ich lebe jetzt bereits zwei Jahre ohne meinen starken, kleinen Mann. Ich kann nicht mal sagen, wie ich gelebt habe.

Nein, es ist nicht so, dass es mir schlecht geht. Es erstaunt mich eher manchmal, dass es mir gut geht. Oder besser ausgedrückt: Ich bin nicht mehr erstaunt, über das was alles mit mir vorgeht.

Es gibt Momente, in denen ich das Leben geniesse. Momente mit Freunden, ausgelassen beim Feiern. Momente beim Skifahren in den Bergen. Momente allein mit einem guten Buch. Erfolgsmomente im Büro oder im Förderverein.

Es gibt Momente, in denen Severin mir so nah ist. Momente, wenn Sinah mich mit dem gleichen schelmischen Gesichtsausdruck anschaut. Momente wie Dejavus, die ich schon einmal erlebt habe.

Es gibt Momente, da kann ich nichts um mich ertragen. Kein Laut, keinen Menschen. Dann brauche ich Zeit für mich und meine Gedanken an die Zeit mit der kleinen, großen Zwergnase.

 

Doch alle Momente sind getragen von einem Glauben: Wir werden uns wiedersehen. Kein Tag vergeht, an dem Severin nicht in meinen Gedanken ist. Manchmal heitere Gedanken, manchmal sehr traurige, tief erschütternde.

Ich lerne immer mehr, damit zu leben, dass er nicht mehr hier ist und nicht wiederkommt. Auch wenn er mir unendlich fehlt. Ich habe gelernt, die Tatsache anzunehmen, dass ich nichts daran ändern kann. Dass die Zeit noch nicht da ist, wo wir uns wiedersehen.

Ich lerne immer mehr, mich so zu akzeptieren wie ich bin. Mit all den Momenten.

 

Oktober 2008

Viel ist geschehen in den letzten 2 1/2 Jahren seit des letzten Eintrages. Sinah wird bald 9 Jahre alt und damit ist sie dann älter als Severin geworden ist. Sie geht im kommenden Jahr mit zur Kommunion. Die Kommunionvorbereitung mache ich mit meiner lieben Freundin Monika zusammen. Auch ein Stück der Aufarbeitung.

Die Momente, in denen die Trauer mich überwältigt, sind weniger geworden. Täglich denke ich an Severin, doch meist mit leisen, frohen Gedanken. Doch manchmal ist er mir unendlich nah. Das sind die Momente, die andere wohl tiefe Trauer nennen würden. Ich nenne sie Liebe.

 

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